Ich liebe es, über kulturelle Themen zu schreiben und es ist mittlerweile einiges zusammengekommen bei uns auf Lagerverkaufsmode.de. Alles ist verständlicherweise aus einem modischen Blickwinkel verfasst, weil wir schließlich und endlich ein Fashion-Blog sind. Artikel auf unserer Plattform wie 👉 "Germany's Next Topmodel" und Diversity, 👉 Wie RuPaul's Drag Race die Mode erobert oder 👉Beste Fashion Serien, Filme und Shows 2021/ 2022, wo ich mich Film-, Steaming und Fernsehen zuwende, sind der beste Beweis. Texte wie 👉 Meine liebsten Fashion-Musikvideos Sommer 2022 befassen sich hingegen spezifisch mit der Popkultur und was mir in letzter Zeit besonders Spaß macht, sind Modebiographien zu kreieren, wie ich es zuletzt mit Jennifer Lopez im Post 👉 Modebiographie - Jennifer Lopez gemacht habe. Wie du siehst, ein Haufen bunter und cooler Texte, die allesamt aus meiner eigenen Sicht verfasst sind und überdies ordentlich recherchiert. Als Schreiberin für diesen Blog ist es mir folgend wichtig, dass unser Content einzigartig und reflektiert ist.
Und diejenigen, die mich kennen, wissen mittlerweile, dass es mir ein Anliegen ist, nicht einfach hirnlos irgendwo langweiliges Zeug abzuschreiben. Außerdem bin ich ein kritischer und bewusster Mensch, der durchaus versucht, das große Ganze zu erkennen und sich nicht davor scheut, es zu sagen, ist etwas nicht überzeugend. Es ist ja bekanntlich nicht immer alles Gold, was glänzt, oder? Im folgenden Text widme ich mich der begnadeten Künstlerin Beyoncé, die mittlerweile seit fast dreißig Jahren im Business ist und die sich zurecht den Titel als "Queen B" erobert hat. Ich beleuchte ihren musischen, persönlichen und modischen Werdegang und ich hoffe, dass ich dir einige neue Seiten aufzeigen kann, da ich bereits als Teenager ein ultimativer Superfan gewesen bin und ich im Grunde alles über sie weiß. Mittlerweile bin ich jedoch nicht mehr übertrieben fanatisch, wenngleich ich nichts weiter als Bewunderung und Liebe für sie empfinde.
Zwei Mal habe ich sie live gesehen. Beide Male in Wien, und zwar das erste Mal während der "The Beyoncé Experience"- Tour im Zuge des "B'Day"-Albums im Jahr 2007, und das zweite Mal war es die "I Am..."-Tour im Jahr 2010 in Anlehnung an das "I am... Sasha Fierce"-Album. Ich besitze ein "Beyoncé-Kleid". Also eines, das ich im Leben lediglich zwei Mal bei ihren Konzerten getragen habe und dann nie wieder, damit es in Ehren gehalten wird. Und das erste Mal, als ich sie sah, du wirst es nicht glauben, ist mir schwarz vor Augen geworden und ich habe für einen kurzen Moment das Bewusstsein verloren. Kein Spaß! Dermaßen "hype" war ich damals. Zurecht gibt dir das jetzt "Boyband-Fan"-Vibes und ähnlich wie ein kleines Girl, das bei Justin Bieber in Ohnmacht fällt, war es auch bei mir.
Ihre Shows sind ohne Ausnahme extraklasse. Beyoncé ist von der Decke geschwebt. Sie hat getanzt und gesungen wie eine Irre und die Kostümwechsel, die während der "I Am..."-Tour größtenteils von Thierry Mugler designt wurden, waren schlichtweg umwerfend. Ebenso wie die Kostüme der "The Beyoncé Experience" - Tour, die wiederum von verschiedenen Designern stammten wie von ihr selbst und ihrem Label "House of Deréon", ihrer Mom, Armani, Versace oder Saab. Alles knapp, über und über funkelnd und glitzernd, figurbetont und extrem power- und prachtvoll. Dennoch weit entfernt von jenem coolen Style, den sie heute hat und auf den wir im späteren Verlauf dieses Artikels zurückkommen werden. Auf jeden Fall waren die Konzerte himmlisch für mich und da sie stets hundert Prozent gibt, war das mitunter in Wien nicht anders.
Wir schreiben das Jahr 2001, als ich gerade zehn Jahre alt war. Regelmäßig kamen Fyler von Musikverlagen ins Haus geflattert, kannst du dich erinnern? Es waren Werbeaktionen, wo du für einen fast schon lächerlichen Geldbetrag zum Beispiel drei Musikalben bekamst, wobei das ja bloß das Lockangebot gewesen ist und du eigentlich so eine Art Abo abschließen musstest. Mit zehn Jahren war ich jedoch naiv und nichtsahnend und zudem ein frühreifes Früchten, was die CD-Wahl beweist, die ich eines Tages hinter dem Rücken meiner Mom getroffen habe. Still und heimlich habe ich mir drei CDs bestellt, und zwar "The Writing's on the Wall" von Destiny's Child, das zu jener Zeit bereits zwei Jahre auf dem Buckel hatte, und das bloß ein paar Monate danach von "Survivor" abgelöst wurde. Außerdem bestellte ich das gleichnamige Album der R&B-Künstlerin Aaliyah während der "Romeo Must Die"-Periode und weil ich nicht so egoistisch sein wollte, war obendrein eine peinliche Platte für meine Mom dabei. Costa Cordalis, und das Beste daran? Sie war aufgrund dessen tatsächlich nicht allzu böse mit mir.
In diesem unschuldigen, zarten Alter haben die Hörspielkassetten von "Bibi Blocksberg" und "Benjamin Blümchen" also bereits ausgedient und eine Tendenz zu Hip-Hop und R&B hat sich bei mir früh bemerkbar gemacht. Das lag wohl an der deutschen Girlband Tic Tac Toe, die meine Freundin und ich damals total cool fanden und die in eine ähnliche Richtung ging. Den Destiny's Child-Song "Say my Name", der die erste Singleauskopplung von "The Writing's on the Wall" ist, kannte ich bereits, bevor ich das Album holte und heute ist es schwer zu beschreiben, wie sehr mich diese Art Musik vereinnahmt und berauscht hat, als ich sie das erste Mal hörte. Destiny's Child mit ihren fetten Beats, den markanten, harmonischen Stimmen, wobei Beyoncé seit jeher unverkennbar heraussticht, die sexy, selbstbewusste Attitüde einer neuen, frechen, schwarzen Weiblichkeit und nicht zu vergessen die Schnelligkeit dieser Musik. Nie im Leben habe ich jemanden derartig rasant singen gehört, und das hat mir ungemein imponiert. Unbedingt wollte ich alle Songs auswendig lernen und verstehen, was mich wiederum in der englischen Sprache geschult und mir im weiteren Leben einen Vorsprung verschafft hat. Aber plötzlich war sie da und nicht mehr wegzudenken. Die Leidenschaft für schnellen R&B und nicht nur das Singen von Disney-Songs in der Kindheit hat mich irgendwann in die Musikschule befördert, sondern gleichsam der rhythmische und moderne Up-tempo-R&B, der so definierend und wegweisend für mich war.
Der Style der Girls am Anfang ihrer Karriere war total 90er! Im Grunde eine dunkle Version der Spice Girls und mit Latex-Looks, Slip-Dresses, Cut-out, Sleek-Hair, kniehohen Boots und Netzstrumpfhosen sind sie ein fleischgewordenes Zeichen ihrer Zeit. Die Outfits waren definitiv elegant oder zumindest elegant gemeint, und gerade was Promoauftritte und Konzerte betraf, setzten sie auf komplette Band-Looks, die eher zusammengebastelt als nach Couture aussahen. In den 90ern und 2000ern musste man verständlicherweise auf Anhieb sehen, wer alles Mitglied einer Band ist und modische Gemeinsamkeiten galten als cool. Allgemein geht es in dieser Dekade entweder in eine puristische Richtung im Stil von Klein oder es ist heillos überladen, schrill und trashig, ob Rave, Grunge und Gothic in den 90ern oder Ed Hardy, kitschiges Dolce & Gabbana und haufenweise Strass in den 2000er Jahren. Destiny's Child charakterisierte zuerst beides, während sie in ihrem Alltag vorzugsweise in Leisurewear herumliefen, was wiederum aufzeigt, wie unentschlossen und "normal" die Mädchen am Beginn waren. In der Tat war es nicht ihr Style, der es mir damals angetan hat und es gab weit stärkere R&B-Künstlerinnen, die das besser draufhatten, wobei TLC und Janet als bestes Beispiel fungieren. Viele Kostüme in den ersten Jahren sind von Beyoncé's Mom Tina Knowles entworfen und genäht worden und auch falls es gemein klingt, sieht man das.
"Sex sells!" Das weiß jedes Kind und hat man vier beziehungsweise nach der Umformung der Band drei rattenscharfe Girls und obendrein eine Beyoncé in der Mitte, kann man das durchaus ausreizen, um Platten zu verkaufen. Zugegeben, die 90er und 2000er Jahre gelten ohnehin nicht als Zeit der textilen Bedeckung und Destiny's Child haben das im Vornherein ausgenutzt und niemals mit Reizen gegeizt. Die Crop-Tops und Baggy-Pants aus dieser Zeit sind gerade jetzt aufgrund des Y2K-Trends, der in den Artikeln 👉 Modetrends Sommer 2022 und 👉 Meine liebsten Fashion-Musikvideos Sommer 2022 vorgestellt wird, wieder superangesagt. Und kommen wir des Weiteren auf Haare und Make-up von damals zu sprechen, war Abenteuerliches gefragt nach der Maxime, dass mehr eben mehr ist. Kein Zöpfchen zu viel, kein Accessoire zu übertrieben und keine Stelle auf dem Kopf kam ohne Gel oder Haarspray aus, auf dass nicht einmal ein Tornado dazu fähig gewesen wäre, die Frisur zu zerstören.
Destiny's Child war cute! Die Girls machten auf Lady, Gangster, Black-Culture, Mädchen von Nebenan und sexy Femme fatale gleichermaßen und es dauerte nicht lange, bis sie in modischer Hinsicht einen besseren Zugang zu sich fanden. Sie waren frech, funky und repräsentierten einen neuen, modernen Typ der schwarzen, jungen Frau, die selbstbewusst ist und weiß, was sie will. Während der ersten beiden Alben haben sie sich primär der afroamerikanischen Kultur zugewandt, und das war im Modestil eindeutig erkennbar. Mit den Jahren kam der Erfolg und ihr optisches Image wurde massentauglicher. Das war leider ewig so in diesem Business. Wolltest du Fame, musstest du Roots und Ethnien anscheinend außen vor lassen, um möglichst viele verschiedene Menschen zu erreichen, die sich mit dir identifizieren können und die deine Platten kaufen.
Nach "The Writings's on the Wall" ging es Schlag auf Schlag. Zuerst die Single "Independent Woman Part I" für den Film "Charlie's Angels" mit Cameron Diaz, Drew Barrymore und Lucy Liu, die ein weltweiter Erfolg und der absolute Durchbruch war und gleich im Anschluss das Album "Survivor" mit der gleichnamigen Single im Jahr 2001, die heute noch als Hymne der Stärke fungiert. Überdies ist der Song "Bootylicious" Teil des Albums. Ein Begriff, der sich heute sogar im Wörterbuch finden lässt und für mich war hinter allem eine starke Message, die mich angesprochen hat. Female-Empowerment, wobei es auch Ausnahmen gibt, wie mir erst später klar wurde. "Independent Woman" oder "Survivor"? Beide Songs, die uns nach vorne bringen, gleichsam wie "The Story of a Beauty", das mich tief bewegte, da auch ich früh in der Kindheit belästigt wurde. Anders sieht es hingegen aus mit "Nasty Girl" und obwohl ich das als dummer Teenager super fand, steckt in Wahrheit sogenanntes "Slut-Shaming" dahinter. In dem Song geht es um eine Frau, damals gemimt von Sara Ramirez alias Che Diaz aus 👉 And Just Like That... alias Doctor Kelly Torres aus dem Grey Sloan Memorial Hospital und die kriegt im Musikvideo ihr Fett weg, weil sie trashy, sluty und billig ist.
🔷 NASTY BITCH?
Das finde ich nicht gut. Lass die Bitch eine Bitch sein, wenn sie will! Du weißt nie, welches Schicksal dahintersteckt und wie nicht zuletzt Serien wie "P-Valley", "Claws" oder "Pose" und Filme wie "Hustlers" mit Jennifer Lopez porträtieren, bedeutet Milieu nicht zwangsläufig schlecht. Wir bewegen uns weiter, und das unaufhörlich in eine Richtung, in der eine Frau durchaus selbstbewusst, offen und gestärkt mit ihrer Sexualität umgeht. Frauen enttabuisieren nach und nach und zeigen auf, dass Sexualität und alles, was mit dem Body zu tun hat, keinesfalls unter den Teppich gekehrt werden sollte. Nicht über Abtreibung, Periode oder Lust sprechen zu dürfen, ist immer noch verankert in vielen stupiden und sturen Köpfen, und das wird allmählich weniger, da Frauen kontinuierlich vorpreschen. Ich finde außerdem, uns als Frauen steht es nicht zu, uns gegenseitig derartig runter zu machen und es existieren weit größere Hürden im Leben, die darauf bauen, dass wir zusammenhalten, um diese gemeinsam zu überwinden im Zeichen der Freiheit. Uns gegenseitig schlecht zu reden, weil wir den Lebensstil des Gegenübers nicht verstehen, ist ein Unding, wobei mir an dieser Stelle viele Menschen beipflichten und der Song später im Netz und in den Medien aufgrund dessen ausreichend zerrissen wurde.
Nichtsdestotrotz darf nicht vergessen werden, dass es das Jahr 2002 ist, als der Track erscheint. Destiny's Child steht noch am Anfang der Karriere oder ist gerade mittendrin. Die Band orientiert sich an Black-Culture und Hip-Hop und diesbezüglich sind wir erstens Schlimmeres in der Musik gewöhnt und zweitens gilt es in dieser Szene als legitim, sich zu dissen. In "Nasty Girl" wird keine selbstbewusste, stilvolle und offenherzige Samantha aus "Sex and the City" gezeigt. Es geht um eine Dame, die sich regelrecht anbiedert, die alles tut, um den Boys zu gefallen und um Fame zu erhaschen, und das ohne die Gabe, ordentlich nachdenken zu können. Und selbst ist es mittlerweile zum Glück verpönter und unangebrachter, sie nicht zu akzeptieren als das, was sie ist, rolle ich gedanklich auch die Augen, während Destiny's Child es wagten, darüber zu singen. Okay ist es nicht im Jahr 2022, meiner Meinung nach, doch ein furchtbares Verbrechen des Hasses ebenso wenig. Offensichtlich ist darüber hinaus, dass sich Destiny's Child in der Gegenwart davon distanzieren und sich zumindest ein bisschen dafür schämen.
Stellt man die Female-Empowerment-Songs und Werke wie "Nasty Girl" gegenüber, ist es ein widersprüchlicher Kontrast, sogar damals. Heute ist nichts mehr dabei, eine Bitch zu sein, was wir KünstlerInnen wie Cardi B, RuPaul, Madonna oder Nicki Minaj zu verdanken haben. Das Weltbild hinsichtlich hat sich stark gewandelt und der Begriff hat viele Bedeutungen und darf nicht mehr ausschließlich als Schimpfwort verstanden werden. Teil von modernem Empowerment ist es, dass du machen darfst, auf was du Bock hast, ohne dich dafür verurteilen und in Schubladen stecken zu lassen. Die Angestellte im Stripclub, die Sex mag, der Lady-Boss eines großen Unternehmens, der abstinent lebt, die Hausfrau, die seit zwanzig Jahren treu und verheiratet ist und die kleine Büroangestellte, die sich in der Freizeit als Domina verkleidet, können allesamt gleichwertige Feministinnen sein, und das ist das Gute daran. War es früher beleidigend, haben die Beleidigten das Wort zurückerobert und es ihnen zu eigen gemacht. "Bitch" ist für viele Frauen und gleichermaßen queere Menschen jetzt Empowerment. Es steht für Erfolg und Selbstbestimmung. Für Offenheit im Umgang mit Sexualität und dafür, dass du dir nichts mehr gefallen lässt, schon gar nicht von heteronormativ geprägten, weißen, reichen Männern. Im Grunde bestimmst du aber selbst darüber, ob du eine Bitch bist oder nicht, ob du dich mit diesen Vibes identifizierst und anderen Leuten steht es nicht zu, dir diesen Begriff vor den Latz zu knallen, es sei denn, du erlaubst es ausdrücklich. Es ist und bleibt ein Wort, das unter anderem als Waffe verwendet werden kann, weswegen die Benutzung Sensibilität erfordert und nach deinem eigenen Ermessen erfolgt.
Das erste Album mit dem Namen "Destiny's Child" aus dem Jahr 1998 in der Originalkonstellation der Band, sprich mit Beyoncé, Kelly, LeToya und LaTavia und gleichermaßen "The Writing's on the Wall" waren unbestreitbar Subkulturmusik und erst im Zuge von "Survivor" wird alles größer und kommerzieller. LeToya und LaTavia haben seinerzeit freiwillig die Band verlassen und mehr oder weniger erlaubt, von Michelle ersetzt zu werden, kurz vor dem richtigen Durchbruch und ich habe mir stets ausgemalt, dass sie heute höchstwahrscheinlich grün vor Neid sind und superwütend auf sich selbst. Während Michelle und Kelly sich bewusst waren darüber, dass sie keine Beyoncé sind, war es für LeToya und LaTavia problematischer. Drama? Immer her damit! Obgleich Beyoncé, Kelly und Michelle ohnehin die bessere Synergie haben und sie nach wie vor zusammenstehen. Selbst Jahre später nachdem Beyoncé zu einer Art Göttin avanciert ist.
Mit dem Album "Survivor" aus dem Jahr 2001 hat sich einiges geändert und alles wurde größer, glitzernder und "weißer". Du dieser Zeit war Destiny's Child extrem pompös, irgendwie Las Vegas, und übertrieben körperbetont. Die Bühnenklamotten bestanden nicht selten aus einem einzigen, großen Cut-out und kamen Roben ins Spiel wie bei Veranstaltungen zum Beispiel, war nach wie vor alles symbiotisch und Trio-Looks das, was Beyoncé, Kelly und Michelle auszeichnete. Unbezweifelbar waren viele trashige Outfits dabei, von denen manche zugegeben heute ein bisschen cooler wirken.
Man wusste nie, welcher übergroßer Cut-out oder endlos lange Schlitz im Kleid der Girls heute verboten tief geht. Cowboy-Hut aus Jeansstoff? Immer her damit, gleichsam wie funkelnde BHs, die als Top durchgehen oder eigentümliche Schnitte und Details wie Federn, Fransen und Schleppen, alles überhaupt nicht nachvollziehbar und deshalb perfekt für die 2000er Jahre. Selbst in kulturellen Kreationen, die von Saris beeinflusst wurden, hat man sie gesehen, genauso wie mit chinesisch geprägten Prints oder afrikanischen Modeelementen. Was mittlerweile bei manchen als kulturelle Aneignung durchgeht, war cool und problemlos in dieser Dekade. Mit Beyoncé als Highlight stets ganz vorne, versteht sich, und die gesamte Mode war im Grunde eine Mischung aus Britney's "I'm a Slave for You"-Look im Musikvideo und ihrem Denim-Partner-Outfit mit Justin. Beides aus dem selben Jahr, in dem "Survivor" das Licht der Welt erblickte. Diese beiden Looks fassen den Style der Band rund um die 2000er Jahre treffend zusammen und immer noch mochte ich Destiny's Child nicht aufgrund ihrer Garderobe. Die Hip-Hop-Elemente gingen langsam verloren und wurden ersetzt durch etwas, das so glamourös sein sollte wie The Supremes zu ihren Zeiten und so flexibel wie die Spice Girls, damit sich jeder mit Destiny's Child identifizieren konnte.
Nach "Survivor" folgten nur noch "8 Days of Christmas" als Band, ein nettes, doch unwichtiges Album, und "Destiny Fulfilled" aus dem Jahr 2004, das wohlgemerkt nach Beyoncé's erstem Soloalbum veröffentlicht worden ist. Allerdings war bereits bei "Survivor" ersichtlich, dass sich die Wege von Destiny's Child irgendwann trennen mussten. Genau wie Beyoncé später in ihrem besten Film "Dreamgirls" in Anlehnung an The Supremes ist sie der geborene Star und die anderen lediglich Beiwerk, so hart es ist. Es gibt ja Unmengen Jokes über Kelly und Michelle mit dem gemeinsamen und gemeinen Konsens, dass sie eigentlich niemand braucht, wenngleich Kelly Rowland später noch eine tolle Karriere hingelegt hat. Alle wussten also, dass Beyoncé gehen muss, auch in Anbetracht dessen, dass ihr Dad Matthew Knowles sie ordentlich nach vorne gepusht und gedrillt hat. Sie entließ ihn im Jahr 2011 als Manager und Gerüchten und Lyrics zur Folge ist das Verhältnis teilweise schwierig.
Im Jahr 2003 war es endlich so weit. Beyoncé trat aus dem Schatten von Destiny's Child hervor, auch ist sie genau genommen niemals im Schatten von irgendjemanden gestanden, und bereits der erste Song mit ihrem Future-Husband Jay-Z schreibt Geschichte. Jedes Kind kennt "Crazy in Love" und es ist der Start ihres kometenhaften, fulminanten Aufstiegs in ihre ganz eigene Star-Kategorie, die ihr mittlerweile etwas Unantastbares verleiht. Das Album "Dangerously in Love" mit den Tracks "Naughty Girl", das eine Hommage ist an Donna Summer's "Love to Love You Baby" aus dem Jahr 1975, das Donna nebenbei bemerkt gar nicht machen wollte, weil es ihr zu anzüglich war, "Baby Boy" mit dem Dancehall-Künstler Sean Paul oder "Me, Myself, and I" haben Beyoncé auf alle Fälle den Weg geebnet und sie weltweit an die Spitze gebracht. Sexy, stark, verführerisch, durchsetzungsfähig, ambitioniert, begabt und im selben Atemzug fast gänzlich frei von afroamerikanischen und anderen kulturellen Einflüssen. Darüber hinaus ohne Politik und polarisierende Inhalte und ergo ohne eine bedeutende Sinnhaftigkeit. Es war Entertainment pur und natürlich hat Beyoncè eine Zeit lang alle damalig herrschenden Regeln befolgt, um erfolgreich zu sein. Vom Subkultur-R&B, der bei "The Writing's on the Wall" deutlich spürbar ist, ging es letztendlich in eine Richtung, die mitunter Weiße anspricht.
Man merkte, wie selbstbewusst Beyoncé durch die Veröffentlichung ihrer ersten Soloalben geworden ist und es tat ihr gut, um sich über Umwege zu jener Künstlerin zu entwickeln, die sie heute ist. Während der ersten Alben war die Figur durchtrainiert, obgleich der sinnlichen Kurven und sie entsprach sämtlichen, damals vorherrschenden Kriterien, um es bis an die Spitze zu schaffen. Verführerisch, das gewisse Etwas, dünn trotz Rundungen und möglichst "weiß", um mainstream zu sein und ordentlich Erfolg zu haben. Der Style am Beginn der Solokarriere spiegelte das vollends wieder und eine Zeit lang verzichtete sie lieber auf multikulturelle Einflüsse in der Mode und zog sich an wie die Britney's und Christina's ihrer Dekade. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen wie "Baby Boy" featuring Sean Paul beispielsweise, das indisch inspiriert ist, sind Black-Culture, R&B, Hip-Hop und nicht zuletzt das Hood-Girl von früher für eine Weile aus ihrer Musik und ihrer Fashion verschwunden.
Nach und nach wurde Beyoncé eleganter und modebewusster. Namhafte Designer ersetzten die früheren Kreationen ihrer Mom und alles wurde exquisiter und gelegentlich experimenteller. Vor allem auf der Bühne und auf dem roten Teppich, selbst wenn es speziell während der ersten drei Alben immer noch primär um Sex und nackte Haut ging. Glitzern und funkeln, was das Zeug hält, war dennoch stets die Devise und schließlich zurecht, weil es unter anderem ihre glamouröse Oscar-Zeit war, als sie allen bewies, dass sie mit der Rolle der "Deena" in "Dreamgirls" ebenso authentisch schauspielern kann. Nichtsdestotrotz war bis zum Album "Sasha Fierce" ihre gesamte Erscheinung eher "Beauty-Queen" als modisch bahnbrechend oder übermäßig sinnhaft.
Ab den 2010er Jahren wurde ihr Stil mutiger, aufregender und avantgardistischer. Man sah sie in einem anderen Licht und multikulturelle Einflüsse und außergewöhnliche Accessoires und Schnitte, die die Silhouette zur Gänze zu verändern vermögen, sind nur ein kleiner Teil dessen, was die neue Beyoncé auszeichnete. Im Jahr 2011 war sie schwanger mit Blue Ivy, was sie bei den MTV VMAs im gleichen Jahr stolz verkündete, und das hat definitiv ihr Mindset und gleichsam den Umgang mit Mode und ihrem Body verändert. Plötzlich war sie da, die Beyoncé von heute, die sich wegbewegt von der perfekten Schönheitskönigin mit vermeintlichen Traummaßen, hin zu einer Frau mit mehr Kurven, einem tollen Selbstbewusstsein und obendrein einem Style, der durchaus von jedem bewundert werden darf. Fashion wurde ein Statement für sie und ein Ventil, mit dem sie ihre progressive Meinung teilen konnte, ohne großartig den Mund aufzumachen.
Der Auftakt ihres Empowerment-Ichs hat bereits im Jahr 2013 stattgefunden, als sie damit begann, insbesondere die Rechte der Frauen zu stärken, wie Kampagnen wie "Chime for Change" aufzeigen. Ihre modische Strahlkraft nahm enorm und in Lichtgeschwindigkeit zu. Sie entwarf Bademode für H&M, ließ Modehäuser wie Gucci oder Gaultier ihre Outfits designen und gewann unaufhörlich mehr Edge und Persönlichkeit bis zu jenem Punkt der Gegenwart, wo sie nicht nur mehr Music-, sondern auch Fashion-Queen ist. Es ist weniger ein charakteristisches Merkmal wie die spitzen Tüten von Madonna, die auf das Konto von Gaultier gehen, oder der Handschuh von Michael, das sie in modischer Hinsicht auszeichnet und unvergesslich macht. Es gibt also nicht diesen einen besonderen, prägenden Moment, der Beyoncé's Stil charakterisiert. Stattdessen arbeitete sie sich kontinuierlich nach vorne über die Jahre und mauserte sich regelrecht zu einem Fashion-Vicitm mit individueller Stimme und Handschrift. Alles wurde stetig kraftvoller und bewusster, ob ihre Roots, die sie nun nach außen kehrte oder die Body-Positivity, die sie vermittelte.
Danach kam B'Day im Jahr 2006 mit grandiosen Hits wie "Déjà Vu", abermals featuring Jay-Z, "Listen", das aus dem Oscar prämierten Film "Dreamgirls" aus dem selben Jahr stammt und "Ring the Alarm", das eine wilde und ungezügelte Seite von Beyoncé zeigt. Dicht gefolgt vom Album "I am... Sasha Fierce" aus dem Jahr 2008, das ihr Alterego zum Thema macht, und das mit Songs wie "If I Were a Boy" oder "Halo" aufwartet. Sämtliche Alben ausnahmslos erfolgreich und der Grund, weswegen sie ihren Status in der Musik- und Filmwelt nur noch weiter festigen und begünstigen konnte. Im Jahr 2011 veröffentlichte sie ihr nunmehr viertes Album namens "4", das von Rhythm and Blues beeinflusst ist mit Werken wie "Run the World (Girls)" und im Jahr 2013 folgte schließlich das nächste, das diesmal ihren Namen trägt, und das mit coolen Songs wie "Drunk in Love" featuring Jay-Z überzeugt.
Es war längst ersichtlich, dass sich Beyoncé vom seichten, weichgespülten Pop-R&B verabschieden würde und bereit war zum Aufbruch in eine düstere Welt des modernen R&B, der mit Künstlern wie Kendrick Lamar, Jhené Aiko oder nun auch Lil Nas X und Doja Cat ein eigenes Naturell hat und eine sehr individuelle Handschrift trägt. Alle machen ihr Ding und nichts davon ist mehr mainstream und ausgerichtet auf den absoluten und totalitären Erfolg, der die breite Masse zu erreichen versteht. Der R&B hat Soul. Man merkt, dass die KünstlerInnen mittlerweile weit mehr kreative Freiheit haben insgesamt als beispielsweise in den 90ern oder in den 2000er Jahren.
Bis zum Album "Beyoncé" ist alles ausnahmslos passabel und glattgebügelt im Zeichen des weltweiten Erfolgs. All ihre Werke wären bislang theoretisch von weißen, männlichen Plattenbossen als okay befunden worden und sicher, war das meiste davon definitiv Beyoncé. Dennoch hat sie es bis zu jenem Zeitpunkt vermieden, sich politisch oder allzu kritisch zu äußern. Nichts war jemals ungemütlich, aufrüttelnd oder mit immenser, moralischer Bedeutung, wobei wir weiter unten im Artikel noch präzise auf ihre Wandlung eingehen werden, die mit dem Album "Lemonade" aus dem Jahr 2016 auf den Fuß folgte. Vorbei war es auf einen Schlag mit Everybody's Darling und die ehemals Hüften schwingende, friedliche und politisch bedeckte Beyoncé war plötzlich auf Krawall aus und hat Ecken und Kanten, die noch dazu messerscharf sind.
Immer stand Beyoncé unter enormem Druck. Von Seiten des Vaters, der Band, der Plattenbosse, des Erfolgs, und das haben wir schon zigfach erlebt, oder? Dass sich KünstlerInnen eines Tages befreien aus der Vorherrschaft von wem auch immer, meistens nachdem sie weltweit erfolgreich sind und sie irgendwann den Mut aufbringen, schadhafte Verbindungen zu lösen und Tacheles zu reden. Eines Tages hat jeder die Nase voll davon, sich verbiegen zu lassen und gerade die SängerInnen der 90er und 2000er Jahre wie Britney, Pink, Christina, Jennifer oder Justin waren stark davon betroffen. Damals konnten insbesondere Frauen nicht einfach sie selbst sein, wollten sie Erfolg, da die großen, profitgeilen Plattenbosse, denen es zu entsprechen galt, allesamt dominant, weiß und männlich waren. Ohne Ausnahme, genauso wie der Rest um sie herum wie Manager zum Beispiel. Die Geschichte ist ein alter Hut. Sobald Frauen mit etwas Erfolg haben, kommen Männer und beanspruchen ihren Teil des Kuchens, wie mir erst kürzlich durch eine Reportage auf ARTE erneut bewusst worden ist, wo es um spanische Bierbrauerinnern ging.
Früher war es die Aufgabe der Frauen in Europa, Bier zu brauen und auf den Märkten zu verkaufen. Doch als mit der Zugabe von Hopfen das Bier länger haltbar wurde und es sich im großen Stil vertreiben ließ, haben Männer den Job an sich gerissen, die Frauen als Bierhexen auf den Scheiterhaufen geworfen und so ist das jahrhundertelang gelaufen in vielen verschiedenen Lebensbereichen. Das TV-, Musik- und Filmbusiness ist hinsichtlich keine Ausnahme, eher das beste Beispiel für heteronormative, weiße Vorherrschaft, denk mal an Harvey Weinstein und Konsorten, und erst jetzt wandelt sich das allmählich. Nicht zuletzt weil alles durch Bewegungen wie #MeToo nach vorne und in die Öffentlichkeit gebracht wird. Mädchen können heute nicht mehr nur davon träumen, Regisseurin, Präsidentin oder Astronautin zu werden und auch gibt es nach wie vor mehr Hürden für sie zu meistern als für Männer, ist es möglich und wird kontinuierlich möglicher.
Du fragst dich an dieser Stelle zurecht, was das alles mit Beyoncé und ihren Erfolgen zu tun hat. Nun ja, ein Mädchen muss tun, was ein Mädchen tun muss, will es erfolgreich sein und mit den großen Playern im Business mithalten, du verstehst? Sagt dir dein Dad also, dass du diesen oder jenen Gig machen sollst oder du bestimmte Statements tätigen kannst, um dein Image zu verbessern, fragst du vielleicht nicht nach, bist du gerade mal zwanzig Jahre alt und nicht derartig selbstbewusst, wie es nach außen hin scheint. Ähnlich verhält es sich mit Managern, die dir befehlen, dass du dir die Haare aufhellen und glätten sollst, um die weiße Zuhörerschaft mit deinen Platten anzusprechen, indem sie sich besser mit deinem Look identifizieren können, obwohl du eigentlich schwarz bist. Bis hin schlussendlich zu Plattenbossen, die meinen, dass wenn deine Musik eher klingt wie die Spice Girls und weniger wie Miriam Makeba, du mehr Alben verkaufen wirst.
Die Musikindustrie definiert sich über Profit und gibt es heute flexiblere Wege, um eine Karriere zu starten, Diversity sei Dank, führte vor zwanzig, dreißig Jahren kaum ein Weg um weiße Plattenbosse umhin. Diesen zu widersprechen, war schlichtweg unmöglich und ich glaube, dass all das Beyoncé passiert ist. Sie spricht nicht häufig offen über diese Dinge und drückt es eher künstlerisch aus. Sei es in ihren filmischen Werken, in Form von Musikvideos, von denen sie stets einen Haufen zu jedem Album kreiert, oder über ihre Musik. "Black is King", zu dem wir später im Text noch kommen, Female-Empowerment, Aggressivität, Roheit und überdies ihre Erscheinung und die Mode, all dass schreit geradewegs nach Liberation. Sie offeriert mittlerweile eine Zugänglichkeit zu ihrem Inneren über ihre Kunst und rechnet man das alles zusammen und hört und sieht richtig hin, ist man sich im Klaren darüber, dass sie weiß, was Unterdrückung bedeutet. Ihre Wandlung ist authentisch und gleichsam für mich befreiend.
Im Jahr 2013 hat uns Beyoncé mit dem gleichnamigen Album bereits die Message zu verstehen gegeben, dass sich der Kurs nun ändern wird. Es war noch nicht allzu viel zu sehen von politischen Meinungen und kontroversen Themen, doch die Musik wurde experimenteller, düsterer und es war ein Schritt in jene Richtung, in die sich mittlerweile geht. Es ist nicht mehr übermäßig kommerziell, obgleich erfolgreich und mit Songs wie "Partition" oder "Drunk in Love" featuring Jay-Z, den sie mittlerweile geheiratet hat im Jahr 2008, wurde ihre Verwandlung zunehmend spürbar und intensiver. Sie war nicht mehr darauf angewiesen, um jeden Preis Musik zu verkaufen, was ihr die Möglichkeit gab, langsam ihre wahre Persönlichkeit nach außen zu tragen und zu teilen. Weg von der glamourösen Diva und hin zu einer Künstlerin mit Seele und einem Statement. Ihre erste Tochter Blue Ivy ist im Jahr 2012 geboren worden und Beyoncé hat das offensichtlich als Auftakt gesehen, um sich selbst als Artistin neu zu definieren.
Im Jahr 2016 ging es zur Sache, und zwar mit der Veröffentlichung des Albums "Lemonade". Ein Meilenstein der Selbstbefreiung für sie. Zwischenzeitlich haben wir ja das Video im Lift gesehen mit ihrer Schwester Solange und Jay-Z, in dem sie ihm eine scheuert und Gerüchte über Jay-Z's Untreue haben längst die Runde gemacht. Später bestätigte Jay-Z diese Gerüchte bei David Letterman, die Folge ist auf Netflix streambar, und ja, er hat die wunderbare Göttin Beyoncé hintergangen, die jedoch in seiner Welt nicht der unantastbare Star ist, sondern Ehefrau und Mutter der gemeinsamen Kids. Ich erlaube mir kein Urteil darüber, wie ich das finde und ebenso wenig über den Grund. Er sagte, dass die Narben der Vergangenheit dazu geführt hätten, dass er Beyoncé wegstoßen musste, und das lassen wir mal so stehen. Offensichtlich gab es eine Ehetherapie und Beyoncè hat das auf ihre eigene Art verarbeitet, wie das Album "Lemonade" offenbart.
Schluss mit der netten Beyoncé, die es allen recht macht und dem Erfolg nachjagt. Das Accessoire zum senfgelben Cavalli-Kleid im Musikvideo "Hold Up" ist ein Baseballschläger und Beyoncé macht großzügig Gebrauch davon und zerstört selbst Autos. Es wird unbequem und für mich authentisch, weshalb ich nicht wie viele Medien und Klatschblätter denke, dass dies alles fingiert war. Das Album hat es in sich. Es befasst sich nicht nur mit sämtlichen Prozessen, die man durchläuft, wird man betrogen, sondern es wendet sich ebenso Black-Culture zu. Genau genommen den Afroamerikanerinnen und all die ignoranten Leute, die sich je gefragt haben, ob sie denn überhaupt schwarz sei, wurden in diesem Jahr eines Besseren belehrt und Beyoncé fand zurück zu ihren Wurzeln. Noch dazu hat sie eine starke Meinung, wie sich offenbarte. Polizeigewalt in den USA, Rassismus und insbesondere Südstaatenrassismus, Naturkatastrophen und soziale Ungerechtigkeit waren nun die zentralen Themen, die sie in ihrer Musik verarbeitete. Im Artikel 👉 Meine liebsten Fashion-Musikvideos Sommer 2022 habe ich bereits einen Eintrag verfasst, der sich speziell mit dem Song "Formation" beschäftigt, aber auch mit Werken wie "Freedom" reflektiert sie schwarze Kultur, während sich Tracks wie "Hold Up" und "Pray You Catch Me" hingegen mit ihrer Trauerbewältigung und ihrer Wut über den Betrug auseinandersetzen.
Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach' Limonade draus!
Genau dieses Sprichwort ist die Bedeutung des Albums "Lemonade", das Jay-Z's nette Omi ehren soll, eine schwarze, starke Frau, die das anlässlich ihres neunzigsten Geburtstags gesagt hat. Beyoncé wird von nun an ehrlicher sein und in weiterer Folge ihre Roots nicht mehr verstecken und stolz präsentieren. Zwischen 2016 als "Lemonade" erschienen ist und dem derzeitigen, neuen Album namens "Renaissance", das dieses Jahr veröffentlicht wurde, liegen fünf Jahre. Fünf Jahre, in denen sie sich vollends ihren im Jahr 2017 geborenen Zwillingen Rumi und Sir verschrieb und in denen sie allerdings auch in künstlerischer Hinsicht nicht untätig war. Alles, was im Zuge der Realverfilmung von "Lion King" geschah, ist nicht nur das Modischste, was sie jemals gemacht hat, sondern auch das natürlichste, spirituellste und wildeste. Mit dem Album "The Lion King: The Gift" erfindet sie sich neu. Gemeinsam mit Shatta Walle, einem afrikanischen Artist, und Major Lazer, mit dem sie schon beim Hit "Run the World (Girls)" zusammengearbeitet hat, schmeißt sie die Single "Already" auf den Markt. Einer ihrer besten Songs, wie ich finde, und dieses im Jahr 2019 kreierte Album für "Der König der Löwen" lässt sie Afrika ergründen. "Black is King", das auf Disney+ verfügbar ist, ist ein modisches und filmisches Meisterwerk, das seinesgleichen sucht, und das sie unvergesslich werden lässt.
Beyoncé untermalt seit Jahren ihre Musikalben mit Videos und du kannst stets mit aufregenden Werken rechen, die jedes Mal aufs Neue zu überraschen vermögen. Alle zunehmend artistischer, anspruchsvoller und außerdem in einer großen Stückzahl verfügbar, weil sie in der Regel für einen Haufen Songs eines Albums jeweils ein Video dreht. Neu ist hingegen ein filmisches Projekt wie das im Jahr 2020 erschienene "Black is King", das bereits erwähnt wurde, und das bei Disney+ verfügbar ist. Über den Inhalt kann man in der Tat streiten und der Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" mit dem Titel 👉Glanz als einleitendes Prinzip ist akkurat und treffend. Lediglich jedoch als Momentaufnahme und betrachtet man das Werk als Einzelnes, nicht jedoch Beyoncé als großes Ganzes unter Berücksichtigung dessen, was sie alles anstellt, um Gleichheit und Akzeptanz zu erreichen. "Black is King" ist nicht der Start, sondern eher als Kirsche obendrauf zu verstehen.
Inszeniert wird die gesamte Familie Carter im Movie als göttliche, fast schon überirdische Erscheinung. Die Rede in der Kritik ist von einem Überschuss an Symbolik, was nichts anderes als bedeutungsschwanger und reizüberflutend heißt, und wahrlich geht es als individueller Beitrag vielleicht nicht weit genug in Zeiten von "I Can't Breathe", ist zu soft, indirekt und nicht ausreichend radikal. Zumindest für Menschen, die nach der Maxime leben, dass außergewöhnliche Zeiten, außergewöhnliche Taten erfordern. Die Fakten im Artikel sind ordentlich recherchiert, das Sinnbild ist stimmig und mit viel Witz, übergroßen Worten und Zynismus geschrieben, ist alles wahr. "Black is King" ist überladen mit Mode, symbolischen, teils kitschigen, klischeehaften Metaphern, Anspielungen, Lyrics oder Songs und auch alles andere ist übertrieben beziehungsweise nicht übertrieben genug dargestellt. Obendrein kann die utopische Vorherrschaft der schwarzen Kultur, die im Film mit weißen und schwarzen Dienern porträtiert wird, die den schwarzen Herrschern leibeigen dienen, missverstanden werden.
Wie der Artikel 👉 Meine liebsten Fashion-Musikvideos Sommer 2022 zeigt, ist es nicht das erste Mal, dass Beyoncé den Südstaatenrassismus derartig inszeniert. Präzise damit gemeint ist das Musikvideo "Formation" aus dem Jahr 2016, wo alle möglichen Ethnien bereits in vornehmer Südstaatenkleidung durch die Gegend hüpfen, die bis dahin weißen Menschen vorbehalten war. Ganz im Stil von "Bridgerton" und den multikulturellen Schauspielern in der Kleidung der Königshäuser und beides war zugegeben ein Bild, an das man sich erst gewöhnen musste, und das anfangs etwas befremdlich wirkte. Dass es optisch stark besticht und doch irgendwie zurückhaltend ist, ist Beyoncé's Stil seit jeher, und dass sie es mit subtilen oder weniger subtilen Nuancen modisch ausdrückt, ebenso. Geboren in Texas, ist es die typische Geschichte. Eine Kindheit in der Kirche mit religiös geprägten, methodistischen Eltern, die noch dazu fordernd und ehrgeizig waren und ich kann mich sogar an eine Zeit am Anfang ihrer Karriere erinnern, wo sie naiv wirkte und Schimpfworte gänzlich vermied.
In der Kindheit und Jugend ging es um Moral und Tugend. Um Ansehen in der Community und für Kids wie Beyoncé und Kelly, mit der sie aufgewachsen ist, standen tadelloses Benehmen, Eifer und Fleiß an der Tagesordnung. In einer Familie mit einem strengen Vater wie Matthew Knowles ist zu widersprechen keine Option. Die Girls von Destin's Child wurden gedrillt und auf Verzicht getrimmt, wenn sie trotz des Erfolgs diverser Hit-Singles zum Beispiel immer noch in billigen Hotels in Mehrbettzimmern pennen mussten. Später sang Beyoncé über ihre harte Kindheit und über den Druck, speziell von Seiten des Vater und verarbeitete ihre Traumata in ihrer Musik. All das steckt jedenfalls tief in Beyoncé, davon bin ich überzeugt, und das, was wir in den ersten paar Jahren unseres Lebens erleben, ist maßgeblich prägend für jeden von uns. Braucht eine perfektionistische Beyoncé, die bis zu einem gewissen Punkt immer nur anderen gefallen wollte, zwanzig Jahre, um aus ihrem Schneckenhaus zu kriechen, ist es für mich zu viel verlangt, dass sie nun wie ein Malcom X in die Vollen geht.
Und auch waren ihre Eltern vor ihrer Karriere erfolgreich und gutbürgerlich, ist es schließlich das Texas von vor dreißig Jahren, über das wir reden. Heimat der strengen Gesetze, des tief verankernden Rassismus, der Trump-Voter und Rednecks. Nicht jeder mit einer derartigen Reichweite kann beispiellos vorpreschen und dafür in Kauf nehmen, dass man beim Einkaufen oder im Restaurant von einem Rechtsradikalen erschossen wird oder der "KKK" im Vorgarten Kreuze anzündet. Für uns ist das schwer nachzuvollziehen, doch das ist mitunter das Amerika von damals und heute und es ihr zum Vorwurf zu machen, dass sie in "Black is King" nicht weit genug geht oder zu seicht diverse Themen behandelt, ist unfair. Die Hauptsache ist, dass sie überhaupt den Mut findet, es irgendwie anzusprechen, und das während so viele tatsächlich gar nichts sagen. Manche Menschen, die in einem solchen Umfeld aufwachsen, werden mutig, andere wiederum bekommen eine zurückhaltende, stille, devote und bedeckte Natur, die Beyoncé eindeutig hat, kennt man sie bloß ein bisschen. Denn das, was so powervoll, mutig und selbstbewusst ist und alles überstrahlt, ist ihr Alterego "Sasha Fierce" und nicht ihr wahres Ich. Es geht um die Verarbeitung sozial kritischer Themen in der Kunst und wie die Künstler es umsetzen, ist ihre Sache. Zu weit oder nicht weit genug? Gibt es nicht, solange die Kernaussage deutlich ist wie im Fall von "Black is King".
Beyoncé könnte ihre Stimme aussagekräftiger nutzen, da pflichte ich dem Text der "Süddeutschen Zeitung" bei. Überlädt sie alles mit Symbolik, Musik und Mode? Ja, zur Hölle! Das tut sie, was für mich jedoch Geschmackssache ist. Denn ich als Person bevorzuge "American Horror Story: Coven", weil es die modischste, optisch ansprechendste Season ist, anstatt der ersten oder zweiten Staffel der Serie, die inhaltlich für den Durchschnitt mehr überzeugt. Und das obwohl ich kein hohler Mensch bin, du verstehst? Es muss nicht immer alles unmissverständlich und überdeutlich sein und zu inspirieren und subtil etwas darzustellen und zu suggerieren, das die persönlichen Gedanken anregt, anstatt diese zu dominieren, ist eine feine Alternative in Zeiten, wo uns alles regelrecht um die Ohren geknallt wird. Diese feine Kunst bleibt den Künstlern vorbehalten und Beyoncé meistert die Gratwanderung virtuos. Direkt, doch nie zu direkt oder aufdringlich und die Kernaussage ihres Schaffens, dass schwarze Haut schön ist, kommt eindeutig an, ungeachtet der Sinnhaftigkeit des Movie-Plots. Hilft es akut in Anbetracht der gegenwärtigen Unruhen in den USA aufgrund von Polizeigewalt, Rassismus und Co? Wahrscheinlich nicht und warum auch? Es ist ein Fashion-Music-Movie mit einer subtilen, sozialkritischen Botschaft, die Empowerment vermittelt. Es schafft ein Bewusstsein und hat einen nachhaltigen Effekt auf Kinder und Leute, die mit ihren Ethnien kämpfen. Es verändert den Geist und die Haltung langfristig, was als Leistung anerkannt werden muss. Zufälligerweise finden "Black is King" und der Aufschwung der "I Can't Breath"-Kampagne aufgrund des Mordes an George Floyd im selben Jahr statt. Es besteht allerdings kein direkter Zusammenhang und Beyoncé ist weit vorher bereits exakt in diese Richtung losmarschiert.
Jeder tut das, was möglich ist, will ich damit sagen und bei Beyoncé lohnt es sich, sie als großes Ganzes wahrzunehmen und sie dafür zu ehren. Ich finde, es gehört einiges dazu, sich als Südstaaten-Lady aus Zeiten der Sklaverei anzuziehen, laut "Black is King" zu rufen und einmal mehr ist es ein Beweis für die Kraft der Mode, und was sie bedeutet, hinterfragt man es ein wenig. In der Kritik der "Süddeutschen Zeitung" tut man Beyoncé letztendlich als Elisabeth II. ab und der "Glanz als einleitendes Prinzip" wird belächelt. Die Ignoranz gegenüber der Kraft visueller Darstellung und die allgemeine Geringschätzung der Mode, die in Wahrheit oft mehr sagt als Worte und die viel bewegen kann, stößt mir sauer auf. Die erste Drag-Queen auf dem Cover der Vogue? RuPaul im Jahr 2019 gekleidet als schwarze Herrscherin mit fetten Dreads à la Elisabeth I., fotografiert von Annie Leibovitz, ist hinsichtlich die treffendste Referenz. Leider wurde das Cover kurzfristig ausgetauscht, aber das Ziel ist das selbe, das Beyoncé im Sinn hatte mit Werken wie "Formation" oder "Black is King". Die Sprache der Mode ist unmissverständlich sowie missverständlich zugleich, wenngleich ich finde, dass Beyoncé in dieser Zeit ihres Lebens sehr eindringlich, mutig und deutlich gewesen ist, was das angeht.
Da soll noch einer behaupten, dass Mode nicht ungemein kritisch, aufrüttelnd und wirksam sein kann! "Glanz als einleitendes Prinzip" darf aufgrund dessen ebenso als Kompliment verstanden werden, obwohl es in dieser Kritik gegenteilig klingt. Ein schwarzer Typ in Frauenkleidern, noch dazu welche, die vom englischen Königshaus inspiriert sind? Dazu Dreads auf dem Cover eines Mainstream-Modemagazins? Polarisierender geht nicht und wahrscheinlich ist der "nette" Hardcore-Rassist von Nebenan gleich vom Hocker gefallen, als er das gesehen hat. Der springende Punkt ist, wird die Kraft geballter, visueller Darstellung verschmäht und ignoriert man, zu was Textilien und Mode zu tun imstande sind, fehlt es wahrscheinlich an Glanz in der eigenen Vorstellung. Mode kann mitunter furchtlos, bedeutsam oder gar revolutionär sein wie die Mützen und Afros der "Black Panther"-Bewegung oder die Suffragetten mit ihren Erkennungsmerkmalen beweisen. Eine schwarze Person in der Kleidung der ehemals Versklavenden zu sehen, ist aufgrund dessen eine gefährliche Waffe, mit der Beyoncé und RuPaul hantieren. Es schafft ein enorm starkes, unvergessliches Bild und der "nette" Hardcore-Rassist von Nebenan ist nach dem Anschauen von "Black is King" auf alle Fälle bedient.
Als taiwanisch-europäisches Kind dachte ich auch, dass ich hässlich sei, weil niemand im Fernsehen oder im Umfeld so aussah wie ich und mir keiner sagte, dass gemischte Ethnien schön, wenn auch rar sind zu meiner Zeit und in meinen Breitengraden. Das gab es damals nicht oft und ich bin fast so alt wie Beyoncé, während sie obendrein mit großer Wahrscheinlichkeit noch extra herabgewürdigt wurde als schwarzes Kind in einem Bundesstaat wie Texas. Ich hatte es schon ohne große Ausgrenzung schwer, mich zu identifizieren, und ich weiß, dass Beyoncé in der Kindheit aufgrund der hellen Haut und der hellen Haare von schwarzen Kids gemobbt wurde, während sie sich natürlich ebenso wenig weißen zugehörig fühlte. Ist in mir dieser Gedanke also fix verankert und zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben, warum sollte es bei Beyoncé anders sein? Wir haben in unserer Kindheit die selben Dinge gehört. Sagen dir neun Menschen, dass du schön bist und eine Person behauptet, dass du es nicht bist wegen Oberflächlichkeiten wie der Hautfarbe, wirst du irgendwann garantiert wissen, dass du schön bist. Die Stimme jener Person, die dir sagt, dass du es nicht seist, wird nichtsdestotrotz nie ganz verschwinden und lässt dich zwischendurch zweifeln. Das ist, was Rassismus und Mobbing mit Kindern macht.
Beyoncé ist Mom und ich sehe in dem, was sie tut, etwas Wundervolles, Futuristisches, Aufklärendes und Sanftes. Sie vermittelt ein anhaltendes Gefühl dafür, dass wir alle schön sind, und das wird nachhaltig wirksam sein. Ob "Black is King" nun übermäßig sinnig ist als einzelnes Werk oder nicht, ist gar nicht so wichtig und es kommt auf das Feeling an, das der Film transportiert. Wird sich ein heteronormativ geprägter, weißer Mann angesprochen fühlen, sieht er sich das an? Garantiert weniger und vielleicht ist er sogar beleidigt. Wird es hingegen das sechsjährige Mädchen sein, das in der Schule gehänselt wird, da ihre Haut etwas dunkler ausfällt als die der anderen schwarzen Kids? Das wiederum garantiert und es ist alles, worauf es Beyoncé schlussendlich ankommt. Weiße Diener, die Schwarzen dienen, die in herrschaftlicher Kleidung aufwarten in ihren prächtigen Südstaatenpalästen muss man als weiße Person im Jahr 2022 überdies aushalten, meiner Meinung nach, weil tatsächlich das Gegenteil davon Jahrhunderte lang Realität gewesen ist. Es läuft genauso wie mit dem Begriff "Bitch", den wir weiter oben im Text hatten. Du eignest dir etwas an, es verliert an Schrecken und eine entwaffnende Machtverschiebung findet statt. Die ehemals Versklavten nehmen die Position der Versklavenden ein, um es simpel auszudrücken.
Es ist genau so, wie ich es im Laufe dieses Textes gesagt habe. Eine Beyoncé trägt kein Fleischkleid beim Einkaufen, schmeißt sich nicht in ein Harajuku-Outfit mit dreißig Zentimeter hohen Plateauabsätzen, stapft sie mit ihren Kids auf den Spielplatz, und sie verkleidet sich auch nicht als Mann, um auszudrücken, dass sie Tage hat, an denen sie sich maskulin und butchy fühlt. Diese aufrüttelnden, fast schon skandalösen Provokationen sind den Lady Gagas, Rihannas und Madonnas dieser Welt vorbehalten und derartig zu polarisieren, passt nicht zu ihr. Gerade aufgrund dessen ist es aber strittig, ob sie nun Fashion-Icon ist oder nicht, weil sie vielen nicht weit genug geht, wobei ich meine, dass es schlichtweg Ansichtssache ist. Macht man den Status als Modeikone fest an spezifischen Momenten oder sieht man Fashion als etwas allzu Künstlerisches und Rebellisches im Stil von Lady Gaga oder "RuPaul's Drag Race" an, das in irgendeiner Form intensiv und übermäßig mit Emotionen hantiert, wahrscheinlich nicht. Zählen hingegen die vielen, kleinen Momente, die ein großes Ganzes ergeben und berücksichtigt man zudem, was Beyoncé für farbige Menschen und mittlerweile längst auch für queere tut, und das bloß mit Fashion, sehr wohl.
Beyoncé's Mode ist niemals ein "Schlag ins Gesicht". Es zählen Subtilitäten und viele Leute scheinen nicht fähig zu sein, diese zu deuten und ihnen jenen Stellenwert zuzuschreiben, den sie meiner Meinung nach verdienen. Du kannst beide Wege gehen und keiner ist weniger forward oder wert. Der Punk mit seinen zerrissenen, dreckigen Klamotten auf der Straße, der sofort ins Auge sticht und laut ist, ist ebenso imponierend wie die schwarze Studentin, die zum ersten Mal die Familie ihres weißen Freundes besucht und bewusst, still und leise etwas traditionell Afrikanisches zum Anziehen wählt, um etwas zu verdeutlichen. Was ist eine Modeikone überhaupt und muss diese tatsächlich stets polarisieren, und das noch dazu in Haute Couture? Fühlst du dich von Beyoncé inspiriert? Nein? Dann ist sie vermutlich kein Vorbild für dich. Für mich ist sie es ausdrücklich. Sie hat mich das gesamte Leben hinweg begleitet und mich stets darin bestärkt, mich niemals aufgrund meiner Ethnie oder der Tatsache, dass ich liebe, diese optisch auszudrücken, zu schämen. Und jene Momente, wo mir Menschen das Gefühl gaben, dass ich es müsste, gab es zahlreich in meinem Leben. Ist man persönlich nicht direkt von Rassismus betroffen, ist es häufig schwer vorstellbar. Ich bin in den 90ern in Österreich groß geworden und hörst du bereits in der Kindheit, dass du ein "Bambusfresser" oder Schlimmeres bist und deine asiatische Haut aussieht wie Pisse, ist es schön, dass eine Beyoncé das Gegenteil besingt und mit ihren Looks verkörpert, dass multikulturelle Vielfalt etwas Wunderbares ist, das zelebriert und inszeniert werden darf.
Doch ebenso falls knallharte Fakten, Zahlen und Erfolgsbilanzen zählen, kann sie überzeugen. Die Boots mit Absatz aus dem "Bonnie & Clyde"-Musikvideo 2003 von Manolo Blahnik, die an Timberlands erinnern? Sie haben einen regelrechten Hype ausgelöst. Ihre Kampagne für H&M, die bereits erwähnt wurde? Unermesslich erfolgreich. Neben der Tatsache, dass Beyoncé etwas trägt und es in kurzer Zeit ausverkauft sein kann wie der Dolce & Gabbana-Partner-Look von ihr und Blue Ivy im Jahr 2020 anlässlich der Kara Walker Exhibition in New York. Ähnlich erfolgversprechend ist ihre derzeitige Kollaboration mit adidas namens "IVY PARK", und das alles soll nicht ikonisch sein? Das Ding mit Beyoncé ist, dass sie nicht vergleichbar ist mit einer Kim Kardashian, die niemals ohne perfektes Styling und Couture das Haus verlässt. Man sieht Beyoncé in hochpreisigen Designer-Fummeln wie in Alltagsmode von Topshop oder ASOS um die Ecke, und das schmeckt vielen nicht. Auf der einen Seite ist sie demnach die unantastbare Queen, die mit ihren Outfits weltverändernde Botschaften sendet und auf der anderen Seite die lockere Mom, eine "Everywoman", für die hochrangige Designernamen nicht das Nonplusultra sind. Sie trägt halt das, auf was sie Bock hat, und das erscheint mir authentischer als ein ewig perfekt gestyltes Modepüppchen, das so viel Kohle hat, dass es sich mit den neuesten Kollektionen einen perfekten Style erkaufen kann, ohne großartig reflektiert zu sein oder viel dafür machen zu müssen. Stil bedeutet ja nicht, dass man zehn Birkin-Bags im Schrank hat. Fashion ist mehr als die letzten Runway-Trends, Avantgarde und Haute Couture und ist das die allgemeine, engmaschig gestrickte Definition für den Status der Modeikone, bin ich sicher, dass Beyoncé liebend gerne darauf verzichtet.
Wer Mode ausschließlich an Labels festmacht, liebt Fashion des Status wegen, nicht jedoch die Textilien an sich, und das, was diese bedeuten können. Auf ihrem gegenwärtigen Album "Renaissance" besingt Beyoncé beide Perspektiven. Sie erzählt von Ginvenchy, Vuitton, Prada und Co ebenso wie davon, dass die "Birkin"-Bag aus dem Haus Hermès ein Relikt aus alten Zeiten sei. Gleichzeitig verheißt sie der "Telfar"-Bag eine rosige Zukunft, die gerade mal einen Bruchteil der "Birkin" kostet und die jetzt noch mehr Popularität aufgrund der Musik gewinnt. Warum kann man nicht beides mögen und muss sich für eine Seite entscheiden? Ist der Preis der Mode der Gradmesser für einen bestechenden, herausragenden Stil? Das ist, was an Beyoncé kritisiert wird, und zwar dass sie Fashion auf ihre eigene Art und Weise umsetzt und nicht ausnahmslos auf die hochkarätigsten und angesagtesten Designer schwört, die alle anderen gerade mögen.
Das bedeutet es eben, progressiv zu sein. Dass du verstaubte, alte Konventionen brichst und Platz schaffst für Neues, was bei Beyoncé und der "Telfar" selbstverständlich der Fall ist. Nur da es alt ist, heißt es nicht automatisch, dass es gut und für immer ist, nicht wahr? Progressivität bedeutet Wandel, und das steht nicht selten im Widerspruch zur Tradition. Der Designer hinter der Tasche ist afrikanischer Herkunft und queer, steht für einen neuen, zwangloseren und bewussteren Fashion-Way of Life und seit Jahren bemüht sich Beyoncé darum, den Markt zugänglich zu machen für sämtliche Ethnien, Geschlechter und sexuelle Orientierungen.
Die Tasche gewinnt an Fame und trendet unaufhörlich. Was wäre also wirksamer in Hinblick auf Beyoncé und ihre Ziele unter Berücksichtigung dessen, dass sie eine subtile Natur hat, als einen solchen Designer an die Spitze zu setzen, und das neben einem weißen, uralten, europäischen Modehaus wie Hermès? Rassismus ist präsent wie eh und je und speziell auf die Klassenunterschiede zwischen Weißen und Schwarzen in den USA bezogen, ist jedes Mittel recht, um die Gesellschaft wachzurütteln und auf etwas hinzuweisen. Designer wie Karl, Marc oder Tom sind virtuos, haben sich ihren Platz wahrlich verdient und es gibt bloß eine Gemeinsamkeit, die in Zeiten der Diversität sauer aufstoßen kann. Und zwar sind sie ausnahmslos weiß und männlich, queer hin oder her. Das Mode-, Film- und Musikbusiness ist nach wie vor weiß und männlich dominiert und Beyoncé hat erkannt, dass Fashion erstens nicht am Preis festzumachen ist, vor allem, hat sie eine tiefere Bedeutung, und dass es darüber hinaus viele Wege gibt, die nach Rom führen. Selbst welche, die ohne große und medienwirksame Skandale auskommen. Und eben diese Gratwanderung macht sie für mich zur ultimativen Ikone und Queen. Vieles von dem, was sie macht, ist einfach nur Mode. Manches davon hat allerdings einen Sinn, und das ist grandios und nicht zuletzt fashion-forward. Persönlich liebe ich sie, wenn sie sich kulturell von allen Richtungen beeinflussen lässt, auf dass schon fast eine gänzlich neue, eigene Fantasiekultur entsteht, wenn sie und Jay supercool gestylt irgendwo posen oder sie in ihren Outfits von der Bühne strahlt.